22. November Mangelernährung braucht Heilmittel Ernährungstherapie
„Was braucht es, damit das Thema Mangelernährung kein Thema mehr ist?“ fragt die Diätassistentin Ulla Hirschmann im (sehr hörenswerten!) Podcast „Extra-Portion“ ihren Gast Dr. Robert Speer, DA und Fachgruppensprecher Geriatrie im VDD (Verband der Diätassistenten). Es braucht, so der Experte, neben einem verpflichtenden Screening im klinischen Bereich das Heilmittel Ernährungstherapie für die Betroffenen im ambulanten Bereich – weil eine Mangelernährung nicht mit der Entlassung aus der Klinik behoben ist. Für Speer ist deshalb die Sicherstellung einer ambulanten Weiterversorgung von zentraler Bedeutung. Für alle, die sich für das Thema Mangelernährung interessieren oder professionell damit beschäftigen, ist das Anhören der Insights und Analysen von Robert Speer ein Muss.
Dem Screening in stationären Einrichtungen muss nach Meinung des Experten ein verpflichtender Prozess der Diagnosestellung folgen – weil Screening allein nichts nutzt, wenn nicht weiter behandelt wird . „Dafür braucht es qualifizierte Ernährungsfachkräfte – nur so ist eine gezielte und qualifizierte Behandlung von Patienten möglich,“ fordert Speer und sieht Deutschland noch immer einsam auf einer Insel – umgeben von Ländern, in denen die systematische Therapie der Mangelernährung gang und gäbe ist. In der Schweiz zum Beispiel ist die ernährungstherapeutische Behandlung der Mangelernährung im klinischen Alltag ein Standard –durchgeführt von Fachkräften, die in fast allen Kliniken zur Verfügung stehen.
Die Notwendigkeit einer ambulanten Behandlung der Mangelernährung hat übrigens die Effort-Studie aus der Schweiz belegt. Sie zeigt: Wenn Ernährungstherapie mit der stationären Entlassung endet, nehmen Komplikationen zu und die Mortalität steigt. „Man muss also dranbleiben – was aus fachlicher Sicht nicht verwundert“ kommentiert Speer, und „entsprechend muss der Zugang zum Heilmittel Ernährungstherapie, der von den Krankenkassen in Deutschland derzeit allenfalls als „good will“ Maßnahme teilfinanziert wird und mit hohen Hürden für die Patienten verbunden ist, möglichst niederschwellig sein. Nur so kann eine klare, gezielte Intervention stattfinden, mit klaren Abrechnungspunkten, wie es z. B. die Schweiz vormacht.“
Traurig ist nur, dass das Heilmittel Enährungstherapie für die ambulante Behandlung der Mangelernährung hierzulande keinerlei Lobby hat. Die DGEM – Deutsche Gesellschaft für Ernährungsmedizin – als vielleicht aktivste Institution im Kampf um eine bessere Versorgung mangelernährter Menschen – hat natürlich an erster Stelle die Interessen ihrer Mitglieder im Blick, die überwiegend Ärzte sind – viele davon im klinischen Bereich. Mit dem Heilmittel Ernährungstherapie für die ambulante Behandlung mangelernährter Patienten wird das sehr wahrscheinlich erstmal nichts werden!
Link zum Podcast:
https://open.spotify.com/show/6yl8BWiH2vkCABpplvVV6s
Extra-Portion – Folge #45 vom 12. Nov.
Meine Empfehlung: Auf jeden Fall reinhören!
Dr. Friedhelm Mühleib
Illustration: KI