10. September Abnehmspritze: Welche ist die Beste?
Ob die GLP-1 Agonisten Semaglutid und Tirzepatid – dem Publikum eher als „Abnbehmspritzen“ bekannt – die Ernährungstherapie und -beratung für Übergewichtige und Adipöse überflüssig machen werden, sei hier dahingestellt. Ernährungsfachkräfte sind allerdings gut beraten, sich über die neuesten wissenschaftlichen Erkenntnisse zu informieren – zumal aktuelle Studien zeigen: Nicht jeder Wirkstoff wirkt gleich. Apotheken bieten jetzt schon eine breite Palette dieser sogenannten „Abnehmspritzen“ an, was für Laien jetzt schon kaum noch zu überblicken ist. Jedes Präparat entfaltet ein eigenes Wirkprofil und ist für verschiedene Patientengruppen unterschiedlich gut geeignet. Semaglutid, der Wirkstoff in den Präparaten „Ozempic“ und „Wegovy“, sowie Tirzepatid, das in „Mounjaro“ enthalten ist, zählen derzeit zu den am weitesten verbreiteten. Zudem gibt es etwa zehn weitere Wirkstoffe, die ähnlich in den Stoffwechsel eingreifen, indem sie das Hormon GLP-1 nachahmen – jedoch auf jeweils unterschiedliche Weise.
Zwei aktuelle Studien haben Semaglutid und Tirzepatid direkt verglichen. Eine britisch-dänische Studie, veröffentlicht im Fachjournal „eClinicalMedicine“, kam zu dem Ergebnis, dass der Wirkstoff in „Mounjaro“ besonders wirksam zu sein scheint. Tirzepatid reduzierte bei stark übergewichtigen Personen das Risiko, innerhalb eines Jahres an Typ-2-Diabetes zu erkranken, um 27 Prozent im Vergleich zur Semaglutid-Gruppe. Zudem nahmen die Teilnehmer der Tirzepatid-Gruppe durchschnittlich drei Kilogramm mehr ab. Bei Menschen, die bereits an Diabetes erkrankt waren, zeigte Tirzepatid eine noch größere Wirksamkeit: Es verringerte das Risiko für Folgeerkrankungen wie diabetischen Fuß oder Nierenschäden um 46 Prozent und das Schlaganfallrisiko um 55 Prozent. Bemerkenswert war auch die um 87 Prozent höhere Überlebensrate. Eine weitere Studie aus Oregon, USA, mit über 18.000 Teilnehmenden, bestätigte diese Ergebnisse: Auch hier führte Tirzepatid zu einem stärkeren Gewichtsverlust als Semaglutid. Dies könnte daran liegen, dass Tirzepatid neben der Wirkung auf GLP-1 auch das Hormon GIP beeinflusst, das eine Rolle im Fettstoffwechsel spielt. Die Kombination aus Appetithemmung und Fettverbrennung scheint entscheidend zu sein.
Zusätzlich wurde festgestellt, dass Tirzepatid bei Patienten mit Schlafapnoe hilfreich sein kann. Laut einer Veröffentlichung im „New England Journal of Medicine“ reduzierte Tirzepatid die Anzahl der nächtlichen Atemaussetzer um mehr als die Hälfte, sowohl bei Personen mit als auch ohne Atemgerät. Ein Placebo zeigte in diesem Fall nur eine Reduktion von etwa zehn Prozent. Schließlich gibt es Hinweise, dass einige GLP-1-Agonisten auch bei neurodegenerativen Erkrankungen wie Alzheimer helfen könnten. Ältere Vertreter dieser Wirkstoffklasse, die heute kaum noch genutzt werden, könnten das Fortschreiten solcher Erkrankungen verlangsamen. Eine kleine Studie zeigte, dass Liraglutid den kognitiven Abbau bei Alzheimer-Patienten im Frühstadium um etwa 18 Prozent verzögern konnte, was im Vergleich zu modernen Antikörpertherapien als vielversprechend gilt. Nicht genug damit: Die Spekulationen um weitere positive Wirkungen der GLP-1 Agonisten treiben die schillerndsten Blüten, wobei gleichzeitig der Verdacht auf die eine oder andere Nebenwirkung kleingeredet wird. Man darf gespannt sein, wieviel von dem, worauf die Hersteller spekulieren, in der Therapie Eingang finden wird.
Dr. Friedhelm Mühleib